a short story
Jetzt ist schon wieder was passiert. Das war aber das letzte mal. Ganz Sicher! Nochmal wird mir das nicht passieren. So viel Aufwand, so viel Zeit habe ich verschwendet. Und wofür? Einzig, dass ich jetzt hier sitze in diesem gottverlassenen Wartehäuschen mitten im Nirgendwo.
Dabei hat es diesmal wirklich so ausgeschaut als würde es passen. Das Inserat kann ich heute noch auswendig: "Raketenforscher im Ruhestand sucht zuverlässige Haushälterin, maximal 30 Stunden pro Woche, der Rest ist Freizeit bei vollem Lohnausgleich". Meine Unterlagen habe ich gleich per E-Mail abgeschickt, mit den Fotos. Ganzkörper und Portrait, wie gewünscht. Das telefonische Bewerbungsgespräch tags darauf mit der Vermittlungsagentur war kurz und bündig.
Alter, berufliche Laufbahn, Referenzen, Hobbies, Größe, Gewicht, Kleiderkonfektion.
Vielleicht hätte ich nachfragen sollen, was es mit den erwähnten Eigenheiten des Wissenschaftlers an sich hat. Aber es klang alles so technisch. Das war es dann auch. Und die Frage, ob ich mich gerne vor einer Kamera präsentiere? Ja klar, sicher, das ist meine Welt.
Aber sowas? Das habe ich nicht erwartet. Warum habe ich nur gleich meine Wohnung gekündigt, habe alles eingepackt und bin schon eine Woche später in den Zug gestiegen. Begeistert sein ist ja gut, aber vorab einmal auf einen Kurzbesucht zum Kennenlernen wäre wohl gut gewesen. Mein Bankberater hatte mir von diesem Umzug abgeraten, aber nein ich wusste es ja besser.
Als ich ankam, beim Haus meines neuen Arbeitgebers, eine pompöse Villa mitten in einem riesigen Park, war ich etwas verwundert über die vielen Überwachungskameras. Ein Raketenforscher ist sicher eine Person mit hohen Sicherheitsansprüchen, war ich überzeugt. Also alles gut. Diese Kameras waren aber dann überall montiert, das habe ich schnell erkannt. Kein Raum in diesem Haus in dem nicht mindestens vier Kameras zu sehen waren - das volle Programm mit Schwenk- und Zoomfunktion. Dann wurde ich zum Wissenschaftler geführt. Sein Büro war das Epizentrum der Überwachung. Ich zählte vierundzwanzig Monitore und einen rieseigen Großbildschirm mitten drin.
Das war also seine Eigenheit. Er sagte es mir auch gleich am Beginn unseres Gesprächen: "Ja, ich bin ein Voyeur. Es ist meine Obsession, alles und jeden zu beobachten. Das ist doch kein Problem, oder?" Da war ich das erste Mal seit wirklich langer Zeit sprachlos. So hatte ich mir das Präsnetieren vor einer Kamera nicht vorgestellt. Meine Frage, ob es denn ein Zimmer ohne Kamera gebe, was schnell beantwortet: Nein, keines.
Mein Mund blieb anscheinend ein paar Sekunden offen. Die brauchte ich um mich zumindest etwas zu sammeln. Dann holte ich tief Luft, schnappte meinen Koffer, wünschte dem Wissenschaftler einen schönen Tag, drehte mich um und ging. Direkt zur Bushaltestelle. Es war schon spät am Abend und heute würde kein Bus mehr fahren, das war aber egal.
Und noch immer überall diese Kameras!

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